09.12.2024
Gamechanger für UX und ÖPNV: Wie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz alle in Bewegung bringt
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In diesem Blogbeitrag erfahrt ihr, was das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für den ÖPNV und UX-Design bedeutet.
Was ist User Experience Design (UX-Design)?
User Experience Design (kurz UX-Design) befasst sich mit der Analyse und Optimierung der Nutzerfreundlichkeit eines Produkts, um so die Zufriedenheit und Zugänglichkeit für die Anwender zu optimieren. Es geht darum, wie ein Benutzer (User) die Erfahrung (Experience) mit einem Produkt wahrnimmt – sei es eine Software, Hardware oder eine Kombination aus beidem.
Wir bei AMCON beziehen uns in der Regel auf die UX bei der Nutzung von Software im Zusammenspiel mit der verwendeten Hardware in dem jeweiligen Nutzungskontext. Wir schaffen intuitive und zugängliche Lösungen, die optimal an die Bedürfnisse der Benutzer angepasst sind.
Beispiele bei AMCON:
Software:
- Windows-Apps
- Mobile-Apps
- Web-Apps
- Websites
Hardware:
- PC und Laptops
- Smartphones und Tablets
- Automaten und Kassensysteme
- Spezielle Monitore, wie z. B. Fahrgastmonitore in Bussen
Nutzungskontexte:
- Arbeiten im Büro
- Unterwegs im Freien
- Umgebungen mit hohem Lärmpegel
- Nutzung bei kleinen Monitoren oder unter Stress
- Einflüsse wie starker Lichteinfall oder Dunkelheit
Barrierefreiheit: Ein Schlüsselaspekt moderner UX
Barrierefreiheit ist ein zentrales Thema des modernen UX-Designs. Sie stellt sicher, dass digitale Produkte für Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Einschränkungen zugänglich sind. Barrierefreies Design sorgt nicht nur dafür, dass alle Nutzer von digitalen Anwendungen profitieren können, sondern steigert auch insgesamt die Benutzerzufriedenheit und fördert die Inklusion.
Technologien, die Barrieren abbauen
Ein Beispiel für eine mittlerweile alltäglich genutzte Technologie, die ursprünglich als Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen entwickelt wurde, ist die Autovervollständigung beim Schreiben. Ebenso tragen Sprachsteuerung und smarte Assistenten nicht nur zur Bequemlichkeit bei, sondern ermöglichen vielen Menschen den Zugang zu digitalen Produkten. Sie stehen sinnbildlich für ein Design, das echte Teilhabe schafft.
Rechtlicher Hintergrund des BFSG
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist ein deutsches Gesetz, das am 22. Juli 2021 verabschiedet wurde und auf der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (Richtlinie (EU) 2019/882) basiert. Es ist ein bedeutender Schritt, um die Barrierefreiheit in digitalen und physischen Produkten sowie Dienstleistungen zu fördern und zu verbessern, um damit die digitale Teilhabe zu stärken.
Das Gesetz tritt bis 2025 vollständig in Kraft und betrifft dann auch den privaten Sektor und nicht mehr nur öffentliche Stellen:
- Ab dem 28. Juni 2025 müssen alle betroffenen Produkte und Dienstleistungen den neuen Anforderungen des BFSG entsprechen.
- Produkte und Dienstleistungen, die vor diesem Datum eingeführt wurden, können vorübergehend weiterhin genutzt werden, jedoch müssen auch diese in absehbarer Zeit den Anforderungen angepasst werden.
Bereits heute sollte also Barrierefreiheit von Anfang an in den Designprozess integriert werden, um zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden und Inklusion aktiv zu fördern.
Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Unternehmen, die die Vorgaben des BFSG nicht einhalten, müssen mit Sanktionen und rechtlichen Konsequenzen rechnen. Da das BFSG eine gesetzliche Verpflichtung darstellt, kann eine Missachtung bspw. zu Bußgeldern führen. Darüber hinaus kann die Missachtung der Barrierefreiheitsanforderungen auch negative Auswirkungen auf das Markenimage haben. Ein Mangel an Barrierefreiheit kann zu Reputationsverlusten führen und das Vertrauen der Kundschaft beeinträchtigen.
Ein positives Beispiel hingegen zeigt, dass barrierefreies Design nicht nur gesetzliche Anforderungen erfüllt, sondern auch eine Gelegenheit darstellt, sich als inklusives und verantwortungsbewusstes Unternehmen zu positionieren.
Relevanter Anwendungsbereich des BFSG
Das BFSG umfasst eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen und verpflichtet Unternehmen, Barrierefreiheit für bestimmte digitale und physische Produkte zu gewährleisten. Der Anwendungsbereich des BFSG ist vielseitig und umfasst u.a. folgende Produkte und Dienstleistungen ein:
- Digitale Dienstleistungen wie Websites, mobile Apps und Software, die der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind.
- Öffentliche Verkehrsmittel und Ticketautomaten – Geräte und Informationen im öffentlichen Verkehrswesen müssen barrierefrei gestaltet sein.
- E-Commerce – Online-Marktplätze und -Shops müssen sicherstellen, dass ihre Plattformen den Anforderungen an die Barrierefreiheit entsprechen.
Von den Regelungen ausgenommen sind Produkte, die ausschließlich von Fachpersonal genutzt werden und somit nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich sind.
Besonders im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) spielt das BFSG eine zentrale Rolle. Personen, die im Vertrieb und Einkauf von Verkaufs- und Kontrollsystemen tätig sind, sollten das Gesetz kennen, da Verkaufsautomaten, Ticket-Web-Shops und Mobil-Apps unter die Regelungen für digitale und physische Produkte fallen.
Anforderungen und Normen für UX-Design und Barrierefreiheit
Das BFSG legt spezifische Anforderungen fest, die digitale Produkte und Dienstleistungen erfüllen müssen. Die Richtlinien stützen sich auf die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, die als international anerkannter Standard für Barrierefreiheit gelten.
Die Anforderungen lassen sich auf folgende Bereiche aufschlüsseln:
- Wahrnehmbarkeit: Informationen und Benutzeroberflächen müssen für alle Nutzer wahrnehmbar sein. Beispielsweise sollen Textalternativen für Bilder bereitgestellt und audiovisuelle Inhalte mit Untertiteln versehen werden
- Bedienbarkeit: Die Interaktion mit den digitalen Oberflächen muss uneingeschränkt möglich sein. Alle Funktionen sollen/müssen über die Tastatur zugänglich sein, und Benutzer sollen ausreichend Zeit zur Interaktion haben.
- Verständlichkeit: Inhalte und Navigation sollen leicht verständlich und vorhersehbar sein. Dabei ist es wichtig, klare Beschriftungen, konsistente Navigation und verständliche Formulierungen zu verwenden.
- Robustheit: Die Inhalte müssen robust und mit unterschiedlichen Hilfsmitteln wie Screenreadern kompatibel sein, sodass sie von Menschen mit Behinderungen genutzt werden können.
Zusätzlich zu diesen Bereichen gibt es Konformitätsstufen, die die Erreichung der Anforderungen bewerten. Ähnlich wie bei der Energieeffizienzskala werden die Stufen A, AA und AAA verwendet. Um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, genügt es, die Anforderungen der Stufen A und AA umzusetzen.
- A: niedrigste Stufe, höchste Priorität
- AA: dies ist der Standard, der für gute Zugänglichkeit erreicht werden sollte
- AAA: höchste Stufe, niedrigste Priorität
Konkrete Hinweise zu den Barrierefreiheitsstandards finden sich direkt bei der WCAG.
Deutsche Hinweise zum Thema gibt es bei Der Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik.
Relevanz des BFSG für UX-Designer
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) stellt UX-Designer und Entwickler vor die Herausforderung, Barrierefreiheit von Anfang an in ihre Projekte zu integrieren. Das Gesetz schafft klare Standards, die in der Gestaltung berücksichtigt werden müssen. Hier sind einige praktische Schritte für UX-Designer:
- Barrierefreiheit als festen Bestandteil im Designprozess verankern: Ähnlich wie andere Designziele sollte auch Barrierefreiheit von Anfang an in der Projektplanung berücksichtigt werden.
- Testing und Prototyping: Durch regelmäßiges Testing mit Tools und realen Nutzern, die unterschiedliche Einschränkungen aufweisen, können UX-Designer sicherstellen, dass ihre Produkte in der Praxis barrierefrei funktionieren.
- Standards kennen und anwenden: Die WCAG 2.1-Richtlinien und andere Barrierefreiheitsstandards bieten eine solide Grundlage, um die Anforderungen des BFSG umzusetzen.
- Schulung und Weiterbildung: Barrierefreiheit erfordert spezialisiertes Wissen. Daher ist es hilfreich, Schulungen zu besuchen und auf dem neuesten Stand der Best Practices zu bleiben.
Fazit: Barrierefreiheit als zentraler Baustein im modernen UX-Design
Das BFSG ist ein bedeutender Schritt in Richtung einer inklusiveren digitalen Welt. Besonders im deutschen ÖPNV, wo Ticketkäufe eine große Hürde durch die vielen verschiedenen Tarife und Regeln mit komplexen Verkaufsoberflächen darstellen, wird die Umsetzung des BFSG eine Verbesserung für alle Fahrgäste schaffen. Für UX-Designer und -Entwickler bedeutet es, Barrierefreiheit als Standard zu betrachten und in den gesamten Designprozess zu integrieren. Die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen fördert nicht nur die Zufriedenheit der Nutzer, sondern stellt sicher, dass Produkte und Dienstleistungen von allen Menschen genutzt werden können.
Darüber hinaus bietet das Gesetz Unternehmen die Chance, ihr Markenimage zu stärken, die Kundenzufriedenheit zu steigern und innovative, inklusive Lösungen zu entwickeln. Eine frühzeitige und umfassende Umsetzung von Barrierefreiheitsstandards ist dabei der Schlüssel für ein nachhaltiges und zukunftssicheres Produkt - Eben Soft- und Hardware, die ALLE bewegt.